Interview mit Winzermeister Eugen Schönhals
Was bedeutet für Sie ökologischer Weinbau?
In Zwiesprache und Einklang mit allem Lebendigen – sei es Natur oder die Menschen – einen besonderen, bekömmlichen und guten Wein zu bereiten.
Was ist das Besondere an dieser Anbauweise?
Die minimalste Fassung: Verzicht auf chemisch-synthetisch-energieaufwändig hergestellte Pflanzenschutz- und Düngemittel.
Das Besondere im ökologischen Weinbau ist, dass wir auf alles, was überflüssig und „zuviel“ ist, verzichten. Der Boden muss sich selbst genügen. Durch Bodenbearbeitung, intensive Begrünung mit Klee, Kräutern, Gräsern und gelegentlichen Gaben von organischen Düngern und Komposten wollen wir den Boden so aktivieren, dass genügend aktive Bodenlebewesen und Mikroorganismen vorhanden sind.
Das Ziel ist einen aktiven, warmen, nachhaltigen Standort für unsere Reben zu haben. Nur dann wachsen sie gesund und kräftig und ergeben diese vorzüglichen Weine. Wir verzichten ganz bewusst auf „Infusionslösungen“ – auch eine Rebe hat das Recht auf ein rebenwürdiges Leben …
Warum haben Sie 1988 umgestellt? Was war der Auslöser?
Es gab verschiedene Gründe: Zum einen war es das Gruseln vor den staubenden giftigen Insektiziden beim Einrühren in die Spritzbrühen, während gleichzeitig die Kinder im Hof rumgetollt und gespielt haben. Zum anderen das Wissen um einen älteren Winzerkollegen, der sich eine Vergiftung mit eben diesen Mitteln zugezogen hatte.
Doch viel weitgreifender ist auch heute noch für mich, als jemand der sich immer wieder neu daran macht seinen christlichen Glauben ins praktische Leben zu integrieren, dass die „Bewahrung der Schöpfung“ wesentlicher Auftrag und Bestandteil meines Lebens ist.
Und es gab eine gewisse – wenn auch damals kleine – Nachfrage nach Ökowein, so dass mir klar war: Ich brauch‘ nicht alles selbst zu trinken …
Wie war das damals – welche Reaktionen gab es?
Meine Lebenspartnerin hat mich in den Entscheidungen auf ÖKO umzustellen wesentlich unterstützt und das Projekt mitgetragen.
Die Eltern waren da eher skeptisch, aber dann doch wohlwollend gesinnt mit der Aussage: „Eia, machemol, wenn de mähnsch dass des geht“. Als dann deutlich war dass es funktioniert, standen sie auch voll dahinter. Nur dass die „Wingert jetzt nett mehr so schön sauber sind“ (mit mehr Grünzeug) das findet meine Mutter noch immer nicht so sehr toll.
Die Winzerkollegen haben sehr zurückhaltend reagiert, auch mit der Aussage „dess wird doch nix“, und mich und meine Rebanlagen mit Argusaugen beobachtet. Mit der Zeit kam dann auch immer wieder mal Lob dafür, dass unsere Weinberge „so gut stehen“ und die Nachfrage „was machst Du, dass Deine Wingert so gesund sind?“ kam schon mal öfter.
Die Kundenreaktionen waren sehr vielfältig. Die Einen: „Ei das ist ja supertoll, endlich, das suchen wir schon lange.“ Den Nächsten war es einfach nur wichtig, dass der Wein gut ist.
Was waren die Schwierigkeiten?
Eine große Schwierigkeit war damals, dass es nur eine kleine Handvoll Winzerkollegen mit Praxiserfahrung gab, die man zu speziellen Problemen bei der Umstellung kontaktieren konnte. Ebenso hatten wir als junge ausgebildete Winzer nichts „ökopraktisches“ in der Ausbildung gelernt.
Zum Glück gab es aber auch wohlwollende Berater und Wissenschaftler an der Weinbauschule – heute DLR – in Oppenheim, die selbst an einer funktionierenden Alternative interessiert waren. Und dann natürlich auch die „ganz alten Hasen“, die als wirkliche Pioniere schon in den 60er Jahren im Ökoweinbau experimentiert haben – auch von denen konnten wir das ein und andere in Erfahrung bringen. Ganz wichtig wurde damals auch der monatliche Stammtisch des „Ring rheinhessischer Ökowinzer“ zum Erfahrungsaustausch.
Erleichternd kam hinzu, dass wir als zweites Standbein auch noch eine Landwirtschaft mit Getreide und Zuckerrüben hatten, so dass das ganze Risiko (wie groß es wirklich war wussten wir ja nicht) verteilt war. Ausprobieren, Machen, auf die Schnauze fallen, Verluste einfahren, wieder Aufstehen, und Weitermachen – das war die Lehrschule der ersten Ökojahre.
Wann kamen die ersten Erfolgserlebnisse?
Die kamen dann langsam aber ständig: Nach den ersten Rückschlägen und den daraus gewonnenen Erfahrungen, kam dann auch eine gewisse Grundroutine dazu und die Sicherheit, DASS ES GEHT! Und dann kamen natürlich auch ganz neue Kunden dazu, die Ökowein trinken wollten! Und die ersten Bioläden, die auch meinen Wein wollten und die vielen Freunde und Bekannte, die dann privat unseren Wein weiterverkauft haben. Schon alleine diese Solidarität zu erleben war Erfolg!
Welche Vorteile haben die Kunden?
Wir liefern ihnen ein hochwertiges Produkt, in dem unser Herzblut lebt!
Bei vielen Privatkunden ist ÖKO sehr wichtig, andere sind von unserer Weinqualität überzeugt. Nicht wenige betonen immer wieder die Bekömmlichkeit unserer Weine. Am Wichtigsten ist wohl, dass wir als Weinmacher und Winzer präsent sind und hinter unserer Philosophie stehen.
Was den Weinfachhandel betrifft, unterscheide ich zwischen konventionellem Fachhandel und dem speziellen auf BIO spezialisierten Händler. Beim Biohändler ist die Sache klar: Hier kommt nur rein, wer auch das Biozertifikat hat UND guten überzeugenden Wein macht. Im konventionellen Weinfachhandel überzeugt zuerst die Weinqualität. Wenn diese dann auch noch BIO ist, nehmen viele das als guten Zusatznutzen mit. In jedem Fall aber muss der Wein UND der Winzer überzeugen!
Welchen Einfluss hat die ökologische Anbauweise auf die Weinqualität?
Die ökologische Anbauweise hat einen außerordentlich positiven Einfluss auf die Weinqualität! Weil niedrige Erträge, vitale Reben und ein gut belebter Boden nun mal die wesentlichen Grundlagen eines bekömmlichen, interessanten und lebensfrohen Weines sind.
Wenn ein befreundeter Winzer auf Bio umstellen will, welche Antwort geben Sie?
Aber klar doch: Umstellen auf Bio – am Besten sofort und heute!
Biebelnheim, im Juli 2008